Auf knapp 150 Seiten stellen die künftigen Koalitionspartner ihre Schwerpunktbereiche für die kommende Wahlperiode dar. Zu Beginn bekennen sich die Partner zu einer inklusiven Stadt. So werden die Belange behinderter Menschen in vielen Bereichen mitgedacht. Konkrete Ziele und Maßnahmen finden sich jedoch häufig nicht.
Im Folgenden stellen wir die geplanten Maßnahmen vor.
Stadtentwicklung, Bauen und Mieten
Durch Investitionen und Neubau soll der Bestand der barrierefreien und barrierearmen Wohnungen deutlich erhöht werden.
Arbeit
Menschen mit Behinderungen sollen verbesserten Zugang zu Arbeit und Ausbildung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt erhalten. Die bereits vorhandenen Instrumente Budget für Arbeit und Budget für Ausbildung sollen dafür vermehrt genutzt werden. Auch auf Bundesebene will sich Berlin im Rahmen von Modellprojekten in diesem Bereich beteiligen.
Das Land möchte hier mit gutem Beispiel vorangehen und in ihrer Verwaltung den Anteil behinderter Arbeitnehmer:innen und Auszubildender erhöhen.
Ein Bündnis „Aktion Arbeit Inklusiv“ soll auf Landesebene gestartet werden.
Die Werkstätten für behinderte Menschen sollen bei ihrer Weiterentwicklung unterstützt werden. Auf Bundesebene will sich die Koalition für eine bessere Vergütung der Werkstattmitarbeiter auf ein Mindestlohnniveau einsetzen.
Soziales und Inklusion
Menschen mit Behinderung und die sie vertretenden Organisationen sollen bei der Umsetzung von Inklusion beteiligt werden.
Angebote zur Teilhabe und Beratungen sollen niederschwellig und sozialraumbezogen erfolgen. Weitere Elemente zur Förderung sozialraumbezogener Angebote sollen geprüft werden.
Im Bereich der Teilhabe sollen Prozesse vereinheitlicht werden und bezirklich die Häuser der Teilhabe serviceorientierter arbeiten. Die Mitarbeiter:innen im Fallmanagement sollen weiter qualifiziert und unterstützt werden.
Bedarfe von Eingliederungshilfe und Pflegeleistungen sollen besser aufeinander abgestimmt werden.
Eine Strategiekonferenz Inklusion und Eingliederungshilfe soll den Teilhabeprozess ab 2022 gesamtstädtisch voranbringen und begleiten.
Gesundheit und Pflege
Die Partner:innen verfolgen das Ziel eines inklusiven Gesundheitswesens und setzen sich für den Abbau bestehender Barrieren ein.
Zur Unterstützung der Rechte behinderter Menschen in Einrichtungen im Land Berlin soll die Heimaufsicht gestärkt werden.
Pflegende Angehörige sollen unterstützt werden. Sie werden stärker beteiligt. Dazu erhalten sie künftig einen Sitz im Landespflegeausschuss. Sie sollen in Gremien mehr Beteiligungsrechte erhalten.
Der Anspruch auf Assistenz im Krankenhaus soll in Berlin umgesetzt werden. Der Anspruch besteht ab November 2022.
Mobilität
Der öffentliche Personennahverkehr soll barrierefreier zugänglich sein. Dies umfasst die Verkehrsmittel selbst, aber auch Bahnhöfe und Haltestellen.
Auch individuelle Beförderungen im Rahmen von Inklusionstaxen oder dem Sonderfahrdienst sollen ausgebaut werden.
Offene Gesellschaft
Das Landesantidiskrimierungsgesetz soll weiterentwickelt werden. Die entsprechende Ombudsstelle soll im Land Berlin ebenfalls gestärkt werden.
Justiz
Gewaltschutz- und Kinderschutzambulanzen sollen gestärkt werden. Auch die Rechte von Kindern, vor allem bei Gewaltschutzdelikten, werden gestärkt.
Sport
Inklusive Sportangebote im Breitensport sollen gefördert werden. Der Jahn-Sportpark soll auch unter Beteiligung behinderter Menschen zu einer inklusiven Sportstätte ausgebaut werden.
Im Jahr 2023 ist das Land Berlin Gastgeber der Special Olympics. Die Partner:innen wollen dieses Event aktiv und nachhaltig unterstützen.
Kultur
Kulturelle Einrichtungen und Angebote sollen inklusiver werden. Behinderte Menschen sollen aktiv und als Zuschauer beteiligt werden. Ermäßigungen bei Tickets soll im Rahmen der sozialen Teilhabe allen Zugang ermöglichen.
Bildung, Jugend und Familie
Auf den Weg gebrachte gesetzliche Regelungen, wie das Familienfördergesetz, das Jugendförder- und Beteiligungsgesetz sollen bei der Umsetzung begleitet werden.
Jugendämter werden gestärkt und personell besser aufgestellt.
Die Pflegekinderhilfe und die Bedingungen für Pflegefamilien werden verbessert.
Schulen aller Schultypen sollen zu inklusiven Schulen um- und ausgebaut werden. In einem Modellprojekt sollen auch Gymnasien teilnehmen. Unterstützt wird dieses Vorhaben durch eine verlässliche Grundausstattung der Schulen und durch vermehrten Einsatz multiprofesioneller Teams. Lehrkräfte sollen in diesem Bereich weitergebildet werden. Vorhandene Unterstützungs- und Beratungsangebote sollen geprüft werden. Freie Träger sollen sich ebenfalls für Inklusion öffnen.
Verwaltung
Angebote der Verwaltung sollen beschleunigt und digitaler werden. Bürgeramtstermine sollen für Anliegen jedem Bürger einen Termin innerhalb von 14 Tagen ermöglichen. Bürgerportale sollen digitale Antragsstellungen ermöglichen. Sie sollen dabei benutzerfreundlich, mehrsprachig und barrierefrei zur Verfügung stehen.
Inklusion ist ein gesamtgesellschaftlicher Prozess, der in allen Bereichen mitgedacht werden muss. Der Koalitionsvertrag folgt dem in vielen Bereichen, längst nicht in allen.
Auch wenn sich einige interessante Ideen und Ansätze erahnen lassen, fehlt nicht selten ein klares Bekenntnis zur Umsetzung. Vieles wird geprüft oder fortgesetzt. Das Ziel einer inklusiven Stadt ist so allein nicht zu erreichen. An anderen Stellen bekennt man sich zur konkreten Umsetzung bereits bestehender Ansprüche. Dies ist nicht neu, sondern darf vom Land Berlin erwartet werden.
Offen bleibt auch, was sich konkret für Menschen mit geistiger Behinderung, Lernbehinderungen oder komplexem Unterstützungsbedarfen verbessert. So wird die Umsetzung etwa im Bereich des Zugangs zum allgemeinen Arbeitsmarkt oder der inklusiven Schulen zu beobachten sein.
Der Landesverband Lebenshilfe Berlin e.V. wird auch in Zukunft im Dialog mit der Politik Inklusion einfordern und die Umsetzungsprozesse kritisch begleiten.
Wencke Pohle (Referentin für Sozialpolitik)